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Der »Hätte ich das mal früher gemacht«-Effekt: Eine andere Form der Aufschieberitis

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Wichtige Aufgaben erst zu spät in Angriff zu nehmen, ist ein häufig thematisiertes Problem, von dem viele Menschen betroffen sind. Weniger Aufmerksamkeit erhält eine andere, ebenfalls verbreitete Form der Aufschieberitis. Bei dieser wird die Umsetzung von Ideen hinausgezögert, deren Verwirklichung nicht kritisch ist, die aber das private oder berufliche Leben dauerhaft verbessern würde. Was einem entgeht, merkt man meist erst viel zu spät. Und ärgert sich dann.

Konkrete Aufgaben aufzuschieben, die früher oder später sowieso erledigt werden müssen, ist selten eine Strategie für persönlichen oder beruflichen Erfolg. Doch womöglich noch fieser als die Bilderbuch-Prokrastination ist die Aufschieberitis von Projekten, Zielen und Experimenten, für die keinerlei Verwirklichungsdruck besteht. Denn während beim klassischen Prokrastinieren die »Rechnung« in Form von Stress, mangelhaften Resultaten oder unangenehmen Situationen schnell kommt, kann es passieren, dass wir sie beim Aufschieben von wenig dringend erscheinenden »Lebensverbesserungsmaßnahmen« sehr spät oder gar niemals erhalten. Damit verpassen wir gute Ereignisse, neue Leidenschaften, lehrreiche Lektionen und positive Momente. Ich nenne das den »Hätte ich das mal früher gemacht«-Effekt.

Technischer Umstieg

Ich durfte den »Hätte ich das mal früher gemacht«-Effekt gerade in voller Pracht erleben. Denn nach mindestens zwei Jahren des mentalen Grübelns habe ich endlich den Schritt von einem Windows-Ultrabook zu einem MacBook Air gewagt. Für mich eine Riesensache. Der erste Rechner meiner Eltern war ein Windows-PC. Dieser hat mich so geformt, dass ich 20 Jahre lang bei Windows blieb. Doch mit meiner letzten Anschaffung war ich nie richtig zufrieden. Dennoch zögerte ich den Beschluss zum Wechsel lange hinaus. Bis mein bisheriges Notebook in der vergangenen Woche kaputt ging und ich (endlich) gezwungen war, Nägel mit Köpfen zu machen. Jetzt, nach der initialen Umgewöhnungsphase an ein neues Betriebssystem frage ich mich, wie ich so lange mit so einer unzureichenden Maschine und einem nicht mehr zeitgemäßen Betriebssystem auskommen konnte. Hätte ich das mal früher gemacht!

Das hier soll keine Apple-Anzeige werden. Ähnlich würde es wohl Menschen geben, die seit langem den Wechsel von iOS zu Android ins Auge fassen, oder von Windows zu einem Chromebook mit Chrome OS. Oder von einem Mac zu Linux. Entscheidend ist: Eine Idee ist über Monate, wenn nicht Jahre in einem herangereift, ohne dass man auf sie gehört hat. Aus Angst, dass man sie bereut, aus Bequemlichkeit oder aufgrund der diffusen Furcht vor dem Verlassen der Komfortzone.

Einsicht kommt später

Der »Hätte ich das mal früher gemacht«-Effekt kann in den verschiedensten Lebenslagen auftauchen. Ich erinne mich an ein ähnliches Vorkommnis, als ich vor zwei Jahren erstmals ins Fitnessstudio ging. Wieso habe ich mich so lange unter unzureichenden Rahmenbedingungen zu Hause mit Hanteln abgemüht, wenn ich im Fitnessstudio für relativ wenig Geld viel mehr bekomme und zugleich einen (für mich als Home-Office-Verfechter willkommenen) Grund für einen Umgebungswechsel erhalte?!

Ähnlich wie bei der traditionellen Prokrastination gilt auch beim Aufschieben von unkritischen, aber potenziell das Leben verändernden Projekten, dass man leider nie wirklich aus Fehlern oder dem Eintreten des »Hätte ich das mal früher gemacht«-Effekts lernt. Beim nächsten Mal, wenn der Einfall zu einer Veränderung, der Aufnahme eines neuen Hobbys oder der Etablierung einer neuen Routine die Gedanken mehr oder weniger regelmäßig durchkreuzt, darf man sich wieder dabei beobachten, wie man die Umsetzung auf die lange Bank schiebt. Aber das ist bei der normalen Prokrastination auch nicht anders.

Wie so oft gilt aber: Ein Bewusstsein für die Problematik zu entwickeln, ist ein wichtiger und elementarer Schritt, um gegenzusteuern. Deshalb habe ich diesen Artikel geschrieben: Weil diese Form des Aufschiebens von Dingen ohne Dringlichkeitsfaktor weitaus weniger oft beleuchtet wird, da eine unmittelbare, schmerzliche Strafe ausbleibt.

Foto: Flickr/keoni101CC BY 2.0


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